EZB-Preview: Stillhalten vor der Sommerpause
Zu dieser Ratssitzung steht keine Zinssenkung auf der Agenda. Nach der Sommerpause erwarten wir einen letzten Lockerungsschritt (-25 Bp)

Die europäischen Währungshüter werden auf ihrer letzten Zusammenkunft vor der Sommerpause wohl keine Anpassungen am geldpolitischen Kurs vornehmen. Die jüngsten Äußerungen von Seiten der Ratsvertreter signalisieren eine abwartende Haltung der Notenbank. Angesichts der Unsicherheit im Zusammenhang mit den US-Zöllen und deren Auswirkungen auf Wachstum und Inflation sieht sich die EZB mit dem aktuellen Leitzinsniveau gegenwärtig gut positioniert. Über das weitere geldpolitische Vorgehen nach der Sommerpause gibt es aber durchaus unterschiedliche Ansichten. Während EZB-Direktoriumsmitglied Schnabel hohe Hürden für einen weiteren Zinssenkungsschritt sieht, hegen einige ihrer Notenbankkollegen durchaus Sympathien für einen weiteren Lockerungsschritt. EZB-Chefin Lagarde wird zur Juli-Ratssitzung voraussichtlich erneut betonen, dass die Währungshüter von Meeting zu Meeting und abhängig von der Datenlage über das weitere geldpolitische Vorgehen entscheiden werden. Grundsätzlich sehen wir die Tür für einen weiteren Lockerungsschritt nach wie vor offen.
Inflationsziel erreicht – Disinflationäre Tendenz dürfte zunächst noch anhalten
Die gesamteuropäische Teuerung pendelt derzeit um die 2%-Zielmarke der EZB. In den kommenden Monaten dürfte die Inflationsrate weiter nach unten tendieren. Diese disinflationäre Tendenz wird unter anderem durch einen energiepreisbedingten Basiseffekt gestützt. So lagen die Energiepreise im Vorjahresvergleich auf einem etwas höheren Niveau. Ein weiterer Faktor, der auf einen nachlassenden Preisdruck hindeutet, sind die zu erwartenden geringeren Lohnsteigerungen. Diese sollten vor allem bei den Dienstleistungspreisen für Entlastung sorgen. Die jüngsten EZB-Inflationsprojektionen skizzieren bis zum Jahresende einen Rückgang der Teuerungsrate bis auf 1,8%. Für das erste Quartal 2026 prognostizieren die EZB-Stabsmitarbeiter sogar ein temporäres Abrutschen bis auf 1,4%. Eine Eskalation des Handelskonflikts mit höheren Zollhürden würde die gesamteuropäische Wirtschaft wohl stärker bremsen. Dies birgt das Risiko einer noch ausgeprägteren disinflationären Entwicklung. Können sich die Verhandlungspartner hingegen auf einen Kompromiss einigen, würde sich der konjunkturelle Ausblick aufhellen und die gesamteuropäische Inflationsrate dürfte wohl höher ausfallen. Als Deadline im Zollstreit hat US-Präsident Trump zuletzt den 1. August genannt. Nach der Sommerpause der EZB besteht damit hoffentlich mehr Klarheit hinsichtlich der Neuordnung der transatlantischen Handelsbeziehungen.
Stühlerücken im EZB-Rat – Knot geht, Sleijpen kommt
Nach insgesamt 14 Jahren ist die Amtszeit des bisherigen niederländischen Notenbankchefs Klaas Knot Ende Juni ausgelaufen. Damit scheidet ein bekennender Zinsfalke, also ein Notenbankvertreter, der einer restriktiven Geldpolitik zugeneigt ist, aus dem EZB-Gremium aus. Als sein Nachfolger wurde Olaf Sleijpen von der niederländischen Regierung ernannt. Dieser gehört seit Februar 2020 dem Vorstand der De Nederlandsche Bank (DNB) an und war zuständig für Währungsangelegenheiten. Bislang hat sich der neue niederländische Notenbankchef nicht offiziell zur EZB-Geldpolitik geäußert. Aufgrund seiner bisherigen engen Zusammenarbeit mit Klaas Knot ist jedoch davon auszugehen, dass er dessen Rolle als Falke im EZB-Gremium übernimmt. Zeitnah steht noch ein weiterer Personalwechsel im EZB-Rat auf der Agenda. Zum 31. August endet die Amtszeit des bekennenden Zinsfalken Robert Holzmann. Ab September übernimmt der bisherige österreichische Wirtschaftsminister Martin Kocher den Vorsitz der Österreichischen Nationalbank (OeNB). Wie er sich im geldpolitischen Meinungsspektrum einordnen wird, muss sich noch zeigen. Wir gehen allerdings nicht davon aus, dass er ähnlich meinungsstark auftritt wie sein Vorgänger. Der portugiesische Notenbankchef Mário Centeno, der im EZB-Rat dem Lager der Tauben zuzurechnen ist, hat jüngst signalisiert, eine weitere Amtszeit absolvieren zu wollen. Seine erste Amtszeit endet am 20. Juli. Laut Medienberichten plant der portugiesische Premierminister Luís Montenegro jedoch, einen Nachfolger zu ernennen. Über mögliche Nachfolgekandidaten ist bislang nichts bekannt. Das Mandat von Peter Kazimir als Chef der slowakischen Notenbank ist Ende Juni abgelaufen. Da bislang kein Nachfolger ernannt wurde, wird er das Amt wohl kommissarisch weiterführen.
-- Christian Reicherter