Polen: Präsidentenschock lässt Investoren kalt

Die Wahl des Rechtspopulisten Nawrocki zum Staatspräsidenten ist ein Rückschlag für Polens liberal-konservative Regierung. Die Märkte üben sich trotzdem in Gelassenheit, weil Premier Tusk an seinem EU-freundlichen Kurs festhalten wird. 
 


Polens neuer Staatspräsident heißt Karol Nawrocki. Bei den Präsidentschaftswahlen am 1. Juni hat eine hauchdünne Mehrheit der Polen (50,89%) für den EU-kritischen und von der konservativen PiS unterstützten Kandidaten gestimmt. Auf den Warschauer Bürgermeister und Vertreter der liberalen Parteien, Rafal Trzaskowski, entfielen lediglich 49,11 Prozent. Der Sieg Nawrockis ist vor allem für die EU-freundliche Regierung unter Ministerpräsident Tusk ein herber Rückschlag. Tusk und seine liberal-konservative Bürgerplattform (PO) waren 2023 mit dem Versprechen gewählt worden, Polen wieder stärker an die EU heranzuführen und umfangreiche gesellschaftspolitische Reformen auf den Weg zu bringen. Bislang konnte Tusk nur einen Teil seiner Versprechen einlösen, da der Staatspräsident die Möglichkeit besitzt, das Inkrafttreten von bereits durch das Parlament verabschiedete Gesetze zu blockieren. Hiervon hatte der scheidende Präsident Duda (PiS) häufig Gebrauch gemacht und die Tusk-Regierung damit ausgebremst. Eine ähnliche Strategie dürfte auch Nawrocki verfolgen.

 

Trotz der drohenden politischen Blockadehaltung des neuen Präsidenten hielten sich die ersten Marktreaktionen in engeren Grenzen. Weder der Polnische Zloty noch die Spreads polnischer Eurobonds zeigten größere Marktausschläge. Zwar wird für Tusk das Regieren nunmehr nicht leichter werden, allerdings war es der Regierung auch mit präsidialem Gegenwind gelungen, Polen zumindest wirtschaftlich auf die Erfolgsspur zu bringen und den Großteil der zuvor unter der PiS-Regierung gesperrten EU-Gelder zur Auszahlung zu bringen. Hierbei hat sicherlich geholfen, dass der polnische Ministerpräsident und nicht etwa der Staatpräsident Mitglied des Europäischen Rates ist. Das bedeutet, dass Polen auf der europäischen Ebene mindestens bis zu den Parlamentswahlen 2027 ein verlässliches Mitgliedsland bleiben wird und die sich abzeichnenden Probleme eher auf das Inland beziehen.

 

Eine wirtschaftliche Achillesferse ist Polens hohes Budgetdefizit in Höhe von 6,6% des BIP im vergangenen Jahr, das nur sukzessive und gemessen am BIP-Wachstum von voraussichtlich mehr als 3% in diesem Jahr viel zu langsam sinkt. Angesichts der innenpolitischen Hürden, die Tusk erwarten, dürfte die Regierung nun erst recht nicht den Spargürtel noch enger schnallen wollen. Vielmehr wird Tusk auf wirtschaftlichen Erfolg und wachsenden Wohlstand setzen wollen, damit das politische Pendel bei den Wahlen 2027 nicht nochmals in Richtung der EU-kritischen PiS ausschlägt.

-- Daniel Lenz