Lektionen aus dem ESG-Backlash in den USA
Eine konstruktive und lebhafte Debatte bezüglich ESG-Aspekten ist zu begrüßen. In den USA wurde die konstruktive Ebene jedoch vielerorts verlassen und ein ideologischer Diskurs mit der Besonderheit von Anti-ESG-Gesetzen geschaffen. Die erzielte Wirkung ist jedoch nicht so eindeutig wie ursprünglich argumentiert.
Während die Nachhaltigkeitsdebatte auch anderswo kontrovers ist, führt die politische Polarisierung in den USA zu besonders tiefen Gräben: Nach Bloomberg-Recherchen haben mittlerweile 18 US-Bundesstaaten Gesetze beschlossen, die sich gegen die Verwendung von ESG-Kriterien beim Management von öffentlichen Geldern – zum Beispiel in kommunalen Pensionsfonds – richten. Eine Spielart dieser Gesetze verbietet die Geschäftsbeziehung zu Finanzkonzernen, die aufgrund ihrer ESG-Richtlinien einzelne Industrien – häufig fossile Brennstoffe – als Investitionsziele ausschließen. Argumentativ wird vorgetragen, dass Anlagestrategien, welche nicht durch ESG-Aspekte limitiert sind, dem „Gemeinwohl“ besser dienen.
Dieser sogenannte „ESG-Backlash“ hat Folgen: Die Debatte bringt eine erhöhte Verunsicherung mit sich, da niemand ins Fadenkreuz der aufgeladenen Politik geraten möchte. Gemeinsame Initiativen von großen Finanzkonzernen, die Lösungen gegen den Klimawandel gesucht haben, erfahren einen Abgang an Mitgliedern. Materiell führt die diverse Gesetzeslage aufgrund des geschaffenen juristischen Flickenteppichs – es gibt auch Staaten mit Pro-ESG-Gesetzen – zu höherem Bürokratieaufwand und weniger Effizienz am Markt. Es gibt Studien, welche die finanziellen Nachteile der Anti-ESG-Gesetze für den Steuerzahler thematisieren. Für Texas wird auf Mehrkosten in Höhe von mehreren 100 Millionen USD bei der Emission von öffentlichen Anleihen verwiesen, da große Finanzintermediäre aufgrund der Gesetzeslage vom Markt ausgeschlossen wurden und dieser somit an Wettbewerb verloren hat – was die Bondbegebung teurer macht. Zudem wird vernachlässigt, dass die Anwendung von ESG-Kriterien auch ein Mittel ist, um Risiken einer Investition zu erkennen und zu reduzieren. Dieser Aspekt droht wegzufallen, wenn die Nutzung von ESG-Inhalten als ‚illegal‘ etikettiert wird.
In einer Kosten-Nutzen-Betrachtung müssen diese Konsequenzen berücksichtigt werden, um eine umfassende Analyse zu gewährleisten. In Summe sollte Nüchternheit die Debatte stärker leiten. Diese kann zu mehr Konsens verhelfen und dadurch Kosten sowie Risiken mindern und so zu optimaleren Erträgen beitragen.
-- Torsten Hähn