China: Der nächste Immobilienriese taumelt

Der chinesische Immobilienmarkt steckt weiterhin in der Krise, die sich nun durch den strauchelnden Immobilienkonzern Country Garden noch weiter verschärfen könnte. Denn auch die chinesische Konjunktur befindet sich aktuell wieder in Schwierigkeiten, nachdem der Öffnungsschub durch das Ende der Null-Covid-Politik geringer ausgefallen ist als erhofft.

 

 

Mit dem Immobilienentwickler Country Garden, letztes Jahr noch größter chinesischer Immobilienkonzern nach Umsatz, ist nun ein weiterer Big Player auf dem chinesischen Immobilienmarkt Liquiditätsproblemen ausgesetzt. Letzte Woche verpasste der Konzern Zinszahlungen auf zwei Dollar-Anleihen und stellte daraufhin Anfang der Woche den Handel mit einem Teil seiner Anleihen auf dem heimischen Markt ein. Die unmittelbaren Auswirkungen erscheinen – verglichen mit der drohenden Evergrande-Pleite vor zwei Jahren – zunächst moderater, denn der Schuldenberg von Country Garden und auch die ausstehenden Zinszahlungen sind deutlich geringer, als dies 2021 bei Evergrande der Fall war. Doch obwohl die Probleme des Sektors inzwischen hinlänglich bekannt sind, kommen sie zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt. Denn die chinesische Wirtschaft ist weiterhin angeschlagen, nachdem der kurzzeitige Aufschwung durch das Ende der Null-Covid-Politik schon wieder so gut wie verpufft ist.

 

Die Immobilienwirtschaft gilt als eine der Schlüsselindustrien der chinesischen Wirtschaft und macht etwa ein Viertel der Wirtschaftsaktivität des Landes aus. Durch überstürzte Regulierungen, welche richtigerweise die exzessive Verschuldung der großen Immobilienentwickler eindämmen sollten, löste Peking 2021 jedoch Liquiditätsengpässe bei vielen Immobilienkonzernen aus. Dies drängte vor allem den vorwiegend in den wirtschaftsstarken Metropolregionen operierenden, hochverschuldeten Evergrande-Konzern an den Rand des Abgrunds, während Country Garden – vorwiegend in den Städten der hinteren Reihe tätig – breiter und damit besser aufgestellt schien. Da in China Immobilien oft bereits vor Spatenstich verkauft werden, löste die Evergrande-Schieflage jedoch einen nachhaltigen Vertrauensverlust der Kaufinteressenten aus. Bestehende Bauprojekte wurden zeitweise gestoppt, die vorausbezahlten Wohnungen drohten nicht fertiggestellt oder gar nicht erst begonnen zu werden und die vorgestreckten Mittel verloren. Die Bereitschaft, für Objekte in Vorleistung zu gehen, hat sich seither massiv verringert. Inzwischen liegen die Wohnungsverkäufe rund ein Drittel unter ihrem Höchststand im Sommer 2021, die Anzahl der Neubauprojekte hat sich seitdem sogar halbiert. Dieser anhaltende Abwärtstrend ist nun auch Country Garden zum Verhängnis geworden.

 

Bisher haben die politischen Entscheidungsträger auf direkte Rettungspakete für die Immobilienkonzerne verzichtet und sich stattdessen für indirekte Unterstützungsmaßnahmen entschieden – Moral Hazard aufseiten der Immobilienkonzerne soll vermieden werden. Doch nachdem Evergrande am gestrigen Donnerstag in den USA Gläubigerschutz beantragt hat und zudem Ansteckungseffekte der Krise auf andere Wirtschaftsbereiche drohen, steigt der Druck auf Peking immer weiter. Trotzdem ist ein direkter staatlicher Eingriff weiterhin eher unwahrscheinlich. Wahrscheinlicher ist stattdessen, dass die chinesische Regierung, um das Wirtschaftswachstum ganz grundsätzlich zu stabilisieren, zu breit angelegten Konjunkturstimuli wie Zinssenkungen und Infrastrukturinvestitionen greifen wird. Sinnvoll wäre, wenn sie darüber hinaus auch strukturelle Reformen in Angriff nehmen würde, um das Vertrauen der Immobilienkäufer zurückzugewinnen – hierzu zählt sicherlich ein besserer Käuferschutz und eine Abkehr von der hundertprozentigen Vorfinanzierung von Wohnimmobilien. Diese Maßnahmen würden allerdings erst längerfristig für eine Kehrtwende am Häusermarkt sorgen. Kurzfristig droht die ohnehin schon strauchelnde chinesische Konjunktur durch die Turbulenzen im Immobiliensektor in den kommenden Monaten noch stärker unter Druck zu geraten. Der Ausblick hat sich weiter eingetrübt.

 

-- Marcus Beichert und Monika Boven