Konjunktur: Strukturschwaches Italien braucht wirtschaftspolitische Impulse

Der Stiefelstaat ist im vierten Quartal 2022 mit -0,1% leicht geschrumpft, gegenüber +0,1% im EWU-Durchschnitt. Eine Rezession in Italien ist wahrscheinlich. Das weitaus größere Problem Italiens ist jedoch die bisher kaum wahrnehmbare Wirtschaftspolitik der seit rund 100 Tagen regierenden rechtspopulistischen Koalition unter Giorgia Meloni. Ohne frische Impulse dürften sich die künftigen Wachstumsraten auch weiterhin eher schwach entwickeln.

 

 

Italiens Wirtschaft rutscht zum Jahresende 2022 leicht in den negativen Bereich. Nach den beiden überraschend starken Vorquartalen (Q2’22: +1,1%; Q3’22: +0,5% Q/Q) sinkt das Bruttoinlandsprodukt (BIP) in Q4’22 um 0,1%. Das ist etwas schwächer als das Ergebnis für den gesamten Euro-Raum mit +0,1%. Details stehen wie gewohnt mit der Erstschätzung der italienischen BIP-Rate noch aus. Aus der Pressemitteilung des Statistikamtes Istat ist jedoch zu entnehmen, dass die Binnennachfrage – also der private Konsum, die Investitionen und die Staatsausgaben – zu dem negativen Ergebnis beigetragen hat.

 

Droht nun eine Rezession? Die kurze Antwort: Ja, aber kein kräftiger Absturz. Für eine sogenannte „technische Rezession“ wäre ein zweites negatives Folgequartal notwendig. Indikationen und Hochfrequenzdaten für die Entwicklung des laufenden ersten Quartals, wie das Verbraucherverhalten und der industrielle Energieverbrauch (IMCEI), deuten darauf hin, dass sowohl der Konsum als auch die Produktion im verarbeitenden Gewerbe derzeit ausgebremst werden. Hohe Energiepreise, eine erhöhte Unsicherheit im Umfeld des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine, Materialengpässe, eine stagnierende Beschäftigung und eine gedämpfte Lohnentwicklung sind wenig überraschend die maßgeblichen Gründe.

 

Maue Signale kommen ebenfalls aus dem konjunkturell wichtigen Tourismussektor, wo der kräftige Nachholbedarf der letzten Quartale markant an Dynamik verloren hat. Auch investitionsseitig berichten Unternehmen einer Umfrage der italienischen Notenbank zufolge von einem schwierigen Investitionsumfeld.

 

Die Basis für den kurzfristigen Ausblick deutet also auf eine wirtschaftliche Schwächephase hin. Aber auch mittelfristig fehlt es der italienischen Wirtschaft an Impulsen. Das liegt vor allem auch an der eher farblosen Wirtschaftspolitik der aktuellen rechtspopulistischen Regierung unter Giorgia Meloni die seit rund 100 Tagen im Amt ist. Notwendige Reformprogramme wie beispielsweise in der Justiz, dem Arbeitsmarkt, dem Steuer- und Rentensystem bleiben in dem strukturschwachen südeuropäischen Land bisher auf der Strecke.

 

Wird dieser Kurs fortgesetzt, wonach es derzeit aussieht, dann dürfte es in den kommenden Jahren an wirtschaftlichen Impulsen mangeln. Die konjunkturelle Schere zu den anderen Euroländern wird dadurch perspektivisch nicht wieder geschlossen. Im Jahresdurchschnitt 2023 sollte vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen Schwächephase und dem negativen Start in das Jahr ein kleines BIP-Minus von 0,1% zu Buche stehen.

 

-- Matthias Schupeta


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