Polen: Präsidentschaftswahl mehr als ein Stimmungstest

Der EU-freundliche Kandidat Trzaskowski ist Favorit bei den Präsidentschaftswahlen. Ein Wechsel an der Staatsspitze könnte Polens Rückkehr zur Rechtsstaatlichkeit beschleunigen. Zusammen mit den guten wirtschaftlichen Aussichten sorgt dies für Rückenwind für polnische Eurobonds.

 

 

Im Ringen der pro-europäischen sowie EU-kritischen politischen Kräfte in Polen steht mit der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen am Sonntag ein nächster Test an. Umfragen zufolge liegt der Kandidat der EU-freundlichen Regierungspartei Bürgerplattform, Rafał Trzaskowski, in Führung. Da er aber eine absolute Mehrheit der Stimmen deutlich verfehlen dürfte, wird es am 1. Juni aller Voraussicht nach zu einer Stichwahl kommen. Nach dem jetzigen Stand der Dinge könnte Karol Nawrocki von der EU-kritischen PiS ebenfalls in die Stichwahl einziehen und damit den Rechtsaußen-Kandidaten, Mentzen, der aktuell auf Platz drei liegt, hinter sich lassen. Umfragen für den Ausgang der Stichwahl gibt es bislang nur wenige. Die demoskopischen Erhebungen, die bereits veröffentlicht wurden, sehen Trzaskowski zwar vorne, der sichere Sieger ist er damit aber noch nicht.

 

 

Die Kompetenzen des für fünf Jahre gewählten polnischen Staatspräsidenten sind vor allem zeremonieller und staatsnotarieller Art. Dennoch ist das Amt von politischer Bedeutung, denn der Präsident ernennt nicht nur den Premierminister, er ratifiziert auch internationale Verträge sowie Gesetze und kann Gesetzesvorschläge zur Klärung ihrer Rechtmäßigkeit an den Verfassungsgerichtshof weiterleiten. Damit steht er in Friedenszeiten jenseits der Tagespolitik – als Schützer der Verfassung, der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit kommt dem Präsidenten aber eine hohe Bedeutung zu. Das wurde deutlich, als die PiS sowohl die Regierung als auch das Amt des Staatspräsidenten jahrelang innehatte und es ihr bis zu den Parlamentswahlen 2023 gelang, den Staat sukzessive umzubauen und rechtsstaatliche Mechanismen zu untergraben.

 

 

Ein Sieg Trzaskowskis wäre damit ein wichtiger politischer Anker, der zum einen der aktuellen EU-freundlichen Regierung helfen könnte, ihre Bemühungen zur Wiederherstellung der Rechtsstaatlichkeit zu unterstützen. Der scheidende Staatspräsident Duda (PiS) hatte sich hingegen geweigert, einige hierzu notwendigen Gesetze zu unterzeichnen. Zum anderen könnte Trzaskowski im Fall eines erneuten Regierungswechsels zur PiS helfen, abermalige Angriffe auf Demokratie und Rechtsstaatlichkeit abzuwehren. Die Präsidentschaftswahlen sind somit mehr als ein politischer Stimmungstest. Dennoch wird Premier Tusk einen Sieg seines Parteikollegen auch als Unterstützung seines politischen Kurses auffassen. Wirtschaftlich sieht es in Polen ebenfalls gut aus. Nach einer BIP-Wachstumsrate von fast 3% im letzten Jahr dürfte die wirtschaftliche Dynamik in diesem Jahr sogar weiter zunehmen. Das goutiert auch der Anleihemarkt. Seit Monaten bereits engen sich die Risikoaufschläge polnischer Eurobonds ein und notieren aktuell so eng wie zuletzt Mitte 2024.

 

- Daniel Lenz