EZB: Handelsstreit nötigt EZB zu rascher weiterer Zinssenkung

Währungshüter sind zuversichtlich, dass sich die Inflation im Bereich der 2%-Marke einpendeln wird. Wachstumsaussichten haben sich eingetrübt.

 

Das Bild stellt ein Diagramm dar, das die langfristigen Inflationserwartungen in der Eurozone zeigt und wie sie sich dem Inflationsziel der Europäischen Zentralbank (EZB) annähern. Auf der vertikalen Achse sind die Prozentsätze angegeben, die die Inflationserwartungen repräsentieren, während die horizontale Achse die Zeitachse von März 2024 bis August 2025 abdeckt.

Die orangefarbene Linie zeigt den Verlauf der Inflationserwartungen über mehrere Monate. Dabei ist zu erkennen, dass die Inflationserwartungen zunächst oberhalb des Inflationsziels der EZB liegen und im Laufe der Zeit langsam sinken und sich dem Ziel annähern.

Die EZB strebt typischerweise ein Inflationsziel von etwa 2% an, und die Grafik dürfte illustrieren, dass sich die Erwartungen der Finanzmärkte oder der Wirtschaftsteilnehmer allmählich diesem Ziel angleichen.“

 

Der EZB-Rat hat auf seiner jüngsten Sitzung eine weitere Senkung der Leitzinsen um 25 Basispunkte beschlossen. Der Einlagensatz liegt nun bei 2,25%. Zur Begründung verweisen die Notenbanker auf den gut voranschreitenden Disinflationsprozess. Man zeigt sich zuversichtlich, dass sich die Inflation nachhaltig im Bereich des EZB-Ziels von 2% einpendeln werde. Angesichts des Zollschocks habe sich die Aussicht für die Konjunkturentwicklung im Euroraum eingetrübt. Die derzeitige Unsicherheit belaste sowohl die privaten Haushalte als auch die Unternehmen. Im geldpolitischen Statement wurde diesmal darauf verzichtet, den Restriktionsgrad der Geldpolitik zu beschreiben. Im März hieß es noch „Die Geldpolitik wird spürbar weniger restriktiv, ....“. Mit diesem Verzicht eröffnet sich die Notenbank potenziell weiteren Zinssenkungsspielraum über das geldpolitisch neutrale Niveau hinaus. In einer ersten Reaktion haben die Marktakteure ihre Zinssenkungsfantasien forciert. EZB-Chefin Lagarde gab angesichts des von hoher Unsicherheit geprägten Umfelds keine Guidance zum weiteren geldpolitischen Vorgehen („not precommiting“). Man werde weiter in Abhängigkeit der Datenlage von Ratssitzung zu Ratssitzung entscheiden.

 

Das Konzept des „Neutralen Leitzinses“ ist in den Hintergrund gerückt
Laut EZB-Präsidentin Lagarde wurde im Rahmen der heutigen Beratungen zwar über einen großen Zinssenkungsschritt diskutiert, aber keiner der Notenbankkollegen plädierte für einen solchen Schritt. Die Entscheidung für eine Zinssenkung um 25 Basispunkte sei einstimmig gefallen. Notenbankchefin Lagarde wies in der Pressekonferenz darauf hin, dass der „neutrale Leitzins“ im aktuellen Umfeld an Bedeutung verloren habe, da dieses Konzept nur in einem wirtschaftlichen Umfeld ohne Schocks funktioniere. Diese Aussage verstärkt den Eindruck, dass sich die Währungshüter weiteren Handlungsspielraum offen halten wollen und der neutrale Leitzins von schätzungsweise 2% nicht zwingend die Untergrenze des aktuellen Zinssenkungszyklus darstellen muss.

 

EZB signalisiert weitere Handlungsbereitschaft – 2% im Visier
Angesichts der zahlreichen Unsicherheitsfaktoren betont die Notenbank ihre grundsätzliche Handlungsbereitschaft und hält damit die Tür für eine weitere Lockerung der Zinszügel offen. Wir rechnen zumindest noch mit einer weiteren Zinssenkung der EZB auf dann 2% (Einlagesatz).

 

-- Christian Reicherter