Frankreich: Macrons Vabanquespiel

Mit der Ankündigung von Neuwahlen hat der französische Staatspräsident Macron im Nachgang der Europawahlen für Unruhe gesorgt. Auch wenn sich die Finanzmärkte jüngst wieder etwas zu beruhigen scheinen, sind die Risikoaufschläge französischer Staatsanleihen deutlich höher als vor dem 9. Juni.

Weitere Hintergrundinformationen zu den Entwicklungen in Frankreich finden Sie auch in unserem aktuellen Podcast „Frankreich-Krise zeigt sich auch am Staatsanleihe-Markt“.
 

Im Nachgang der Europawahlen vom 9. Juni haben sich die Risikoaufschläge zehnjähriger französischer Staatsanleihen gegenüber deutschen Bundesanleihen in der Spitze um rund 30 Basispunkte (Bp.) ausgeweitet und in der Spitze rund 80 Bp. erreicht. Insbesondere für einen Semikern-Staat wie Frankreich ist diese Dimension bemerkenswert. Ausschlaggebend für die starke Bewegung war vor allem das schwache Abschneiden der französischen Regierungsparteien bei den Europawahlen und die daraus folgende Auflösung der Nationalversammlung durch Staatspräsident Macron.

 

Mit der Auflösung des Parlaments und Neuwahlen in sehr kurzer Zeit (1. Wahlgang am 30.6, Stichwahlen am 7.7.) geht Macron aufs Ganze. Kernfrage wird bei dieser Wahl sein, wie stark die „Brandmauer“ der restlichen Parteien bzw. Wähler noch ist, die in der Vergangenheit Siege von Kandidaten des Rassemblement National (RN) durch taktische Stimmabgabe oft verhinderte. Der Kandidat mit den meisten Stimmen (relative Mehrheit) in der zweiten Runde gewinnt. Damit erschwert das Wahlsystem Sitzverteilungsprognosen bzw. erhöht deren Unsicherheitsgrad.

 

Die bisherigen Umfragen sehen den RN mit rund 33 Prozent klar vorne, gefolgt vom Linksbündnis NFP mit rund 27 Prozent. Ensemble, das zentristische Bündnis von Präsident Macron, folgt mit etwas weniger als 20 Prozent knapp dahinter. Angesichts der zuvor angeführten Fallstricke des Mehrheitswahlrechts sind Prognosen der Sitzverteilung in der Assemblée nationale deutlich schwieriger und liegen bislang nur von zwei Umfrageinstituten vor. Laut dieser könnte der RN erstmals stärkste Kraft werden – und dies mit Abstand. Für eine absolute Mehrheit dürfte es jedoch nicht reichen. Bei einer Koalition mit den konservativen Les Républicains (LR) scheint eine knappe Mehrheit denkbar – eine Option, die zumindest deren Vorsitzender, Éric Ciotti, für gangbar hält. Über den Umgang mit dem RN haben sich die gaullistischen Republikaner jedoch so zerstritten, dass sich die Partei de facto gespalten hat. Unstrittig ist hingegen, dass in Frankreich turbulente Wochen anstehen, die auch in ganz Europa und am Finanzmarkt mit Unbehagen beobachtet werden dürften. Die jüngsten politischen Volten haben die politischen Schwachstellen des Landes mehr als deutlich gemacht, die sich zu den fiskalischen gesellen (und mit diesen eng verbunden sind).

 

-- Christian Lenk


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