“Soziale Risiken” können für Unternehmen teuer werden

Boykottaufrufe gegen McDonald’s haben die Umsatzentwicklung des Unternehmens im vierten Quartal 2023 sichtbar belastet. Für finanzielle Schäden aus sogenannten „sozialen Risiken“ lassen sich in der jüngeren Vergangenheit noch weitere Beispiele finden. Ein guter Grund, einen genaueren Blick auf das „S“ in ESG-Risiken und Möglichkeiten zur Schadensbegrenzung zu werfen.

 

Das Thema Nachhaltigkeit wird in der Regel in die drei Aspekte Umwelt (E – Environment), Soziales (S – Social) und Unternehmensführung (G – Governance) aufgeteilt, wobei sich die öffentliche Wahrnehmung aufgrund der Dringlichkeit der Thematik häufig auf den ersten Punkt fokussiert. Zuletzt waren am Markt aber auch eine Reihe von Beispielen für die Folgen sozialer Risiken zu beobachten. Als soziale Risiken bezeichnet man mögliche negative Auswirkungen, die sich aus der Beziehung eines Unternehmens zu seinen Kunden, Mitarbeitern oder anderen gesellschaftlichen Gruppen ergeben können. Unter anderem fallen die folgenden Punkte in diese Kategorie:

  • Mangel an Fach- bzw. Arbeitskräften
  • Streiks
  • Missachtung von Mindeststandards in der Lieferkette, zum Beispiel beim Arbeitsschutz
  • Qualitäts- oder Sicherheitsprobleme bei Produkten oder Dienstleistungen
  • Mängel bei IT-Sicherheit und Datenschutz
  • Veränderte Kundenpräferenzen
  • (Geo-) Politische Ereignisse wie Kriege oder terroristische Anschläge

 

Die US-Fastfoodkette McDonald’s berichtete beispielsweise kürzlich von deutlichen Umsatzeinbußen in den Ländern des Nahen Ostens. Hintergrund sind Boykott-Aufrufe in den sozialen Medien, nachdem Franchise-Partner und Restaurant-Betreiber in Israel kostenlose Mahlzeiten an Soldaten ausgegeben hatten. Auch in Indonesien und Malaysia waren die Auswirkungen zu spüren. Mit nur +0,7% hinkte die Umsatzentwicklung im vierten Quartal 2023 im betroffenen Segment „Märkte mit Entwicklungslizenzen“ deutlich hinter den beiden anderen Bereichen „USA“ (+4,3%) und „Internationale Märkte“ (+4,4%) hinterher. Obwohl McDonald’s klarstellte, dass man sich politisch neutral verhalte und keine Seite in diesem Konflikt unterstütze, ist die Zurückhaltung der Kunden weiterhin spürbar. Ein anderes Beispiel für die finanziellen Auswirkungen sozialer Risiken ist der deutsche Großhändler METRO. Dieser musste nicht nur die Auswirkungen des Ukraine-Krieges auf seine Märkte in der Ukraine und Russland verkraften, sondern wurde zudem im ersten Quartal des vergangenen Geschäftsjahres Opfer einer Cyberattacke. Diese verursachte einen Umsatzverlust im niedrigen 3-stellligen Millionen-Euro-Bereich und einen Schaden beim EBITDA (Ergebnis vor Zinsen, Steuern, Abschreibungen und Amortisationen) im mittleren bis hohen 2-stelligen Millionen-Euro-Bereich. Zwar bestand ein Versicherungsschutz; dieser konnte die Schäden aber nicht vollständig ausgleichen. Exemplarisch ist auch das Ende der Partnerschaft von Adidas mit Kanye-West nach dessen antisemitischen Äußerungen. Die Zusammenarbeit sorgte nicht nur für einen Reputationsschaden des Unternehmens, das abrupte Ende der Partnerschaft hatte auch gravierende finanzielle Belastungen für Adidas zur Folge.

 

Diese Fälle verdeutlichen, dass ESG-Risiken bei Unternehmen allgegenwärtig sind und bei Eintritt erhebliche finanzielle Schäden verursachen können. Sie sollten daher in den Nachhaltigkeitsstrategien der Unternehmen identifiziert und mit entsprechenden Maßnahmen adressiert werden. Auch in der Kreditanalyse sind sie als Treiber von finanziellen Risiken zu beachten und zu bewerten. Einen hohen Standard in der Qualitätssicherung in der Produktion, geografische und produktseitige Diversifizierung, der Abschluss von Versicherungsschutz sowie Mindeststandards entlang der Lieferkette können helfen, die Eintrittswahrscheinlichkeit „sozialer Risiken“ zu senken oder, falls das Ereignis dennoch eintritt, die finanziellen Folgen abzumildern. Gegen die Dynamik von zum Teil nicht fundierten Aufrufen in sozialen Netzwerken ist allerdings noch kein wirksamer Schutz vorhanden.

 

- Thomas Weber


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