Gründe für weitere Kursgewinne, aber auch für gebotene Vorsicht

Nach der Korrektur an den überregionalen Aktienmärkten sehen wir gute Gründe für eine Fortsetzung der jüngsten Kurserholung, mahnen aber auch, die aktuellen Risiken ernst zu nehmen.

 

 

Wir befinden uns in einer Korrekturphase nach einem unerwartet guten Börsenjahr (per 31.07.2023 DAX +17% ytd, S&P 500 +20% ytd), die durch gestiegene Realrenditen, höhere Ölpreise und einem stärkeren USD ausgelöst wurde. Eine solch ungünstige Konstellation aus starker Liquiditäts- und Energieverteuerung hatte bereits in der Vergangenheit für ausgeprägte, aber temporäre Aktienkursbelastungen gesorgt. „Higher for longer“ sehen wir nun als vollständig eingepreist. Mittelfristig sinkende Anleiherenditen infolge einer globalen Konjunkturabkühlung und nachlassender Inflation sollten aber weiter Druck von Aktienbewertungen und Kursen nehmen.

 

Wir sehen aktuell Parallelen zum Stimmungstief im Multi-Krisenjahr 2022. Die toxische Gemengelage aus hohen Zinsen, strauchelnder (chinesischer) Wirtschaft und hoher Risikoaversion erachten wir aber als längst ausgereizt und eingepreist, da es sich um altbekannte Risikofaktoren handelt. Wirtschafts- und Sentiment-Indikatoren liegen bereits am Boden. Die Hürde für positive Überraschungen ist im derzeitigen Umfeld daher niedrig, das Kurserholungspotenzial bei positiven Nachrichten hoch. Die nun beginnende Berichtssaison für Q3/2023 kann über die Börsenrichtung der kommenden Wochen bestimmen. Das erwartete Wachstum der Quartalsgewinne von -10%/+1,6% in Europa/USA erscheint uns konservativ. Spätestens mit einer Verbesserung des Konjunkturumfeldes dürfte das Anlegervertrauen zurückkehren und die eingeengten KGVs (Kurs-Gewinn-Verhältnis) wieder ausdehnen. KGVs laden aktuell geradezu zum Investieren ein, das DAX-KGV ist auf ein historisches Krisenniveau gefallen.

 

Abgesehen davon genießt das vierte Quartal den Ruf, am besten für die Aktienmärkte auszufallen. Seit der Jahrtausendwende legte der DAX in dieser Jahreszeit im Schnitt +6% zu, Euro Stoxx 50 und S&P 500 jeweils knapp +4%. Für den DAX steigerte sich dieses Resultat leicht auf fast +7% in den Jahren, in denen das dritte Quartal besonders schlecht lief (-5% und schlechter).

Der Israel-Konflikt stellt jedoch ein zusätzliches Risiko für die Weltwirtschaft dar. Eine Eskalation inklusive Beeinträchtigung der globalen Erdölversorgung könnte die Aktienmärkte belasten, wenn auch die Historie gezeigt hat, dass (geo)politisch motivierte Börsenphasen meist zeitlich begrenzt sind.

 

-- Sven Streibel


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