Brasilien: Verhaltene Konjunktur, Lula hat wenig Spielraum

Im dritten Quartal wuchs die brasilianische Wirtschaft um 0,4% gegenüber dem Vorquartal. Ende Oktober wurde der Sozialist Lula da Silva zum neuen Präsidenten gewählt. Er übernimmt ein tief gespaltenes Land bei schwacher Konjunktur.

 

 

Die brasilianische Wirtschaft ist im dritten Quartal nur um 0,4% gegenüber dem Vorquartal gewachsen, nachdem in Q1 und Q2 noch Raten von 1,3% und 1,0% verzeichnet wurden. Geprägt war der Spätsommer in der größten Volkswirtschaft Südamerikas jedoch vor allem durch den erbitterten Wahlkampf um das Präsidentenamt zwischen Jair Bolsonaro und Lula da Silva. Nur mit einer sehr knappen Mehrheit konnte Lula die Stichwahl Ende Oktober für sich entscheiden. Dementsprechend steht er jetzt einem tief gespaltenen Land gegenüber.

 

Auf der internationalen Bühne wurde der Sozialist Lula bereits von vielen Seiten für seine Ankündigung gelobt, dass er die Abholzung des Regenwaldes nach seinem Amtsantritt im Januar stoppen will. Es ist aber fraglich, ob ihm das gelingen kann, da er sich im Parlament mit einer konservativen Mehrheit arrangieren muss. Hinzu kommt, dass unter Bolsonaro die Umweltschutzbehörden durch rechtliche Änderungen und durch den Entzug von finanziellen Mittel deutlich entmachtet wurden und somit kaum handlungsfähig sind.

 

Darüber hinaus ist der neue Präsident für sichtbares Wirtschaftswachstum auf die Agrarindustrie und den Bergbau als wichtige Exportbereiche angewiesen. Dies sind aber auch die Wirtschaftsbereiche, die zuletzt vornehmlich von umfangreichen Abholzungen profitiert hatten. Sichtbarer konjunktureller Schwung ist für Lula jedoch unabdingbar, damit er die kostspieligen Wahlversprechen gegenüber den ärmeren Bevölkerungsgruppen umsetzen kann. Wegen einer bereits angehäuften hohen Staatsverschuldung fehlt ihm ansonsten hierfür der finanzielle Spielraum. Darüber hinaus ist am brasilianischen Arbeitsmarkt endlich eine Erholung in Gang gekommen. Im Oktober lag die Arbeitslosenquote nur noch bei 8,3%, nach noch 12,1% im Vorjahresmonat. Gerade das linke Parteienspektrum erhielte für zukünftige Wahlen eine gute Ausgangsbasis, wenn unter Lula endlich die Phase einer jahrelangen hohen strukturellen Arbeitslosigkeit zu Ende ginge.

 

Es ist eher unwahrscheinlich, dass es dem neuen Amtsinhaber kurzfristig gelingt, die Verlangsamung der Konjunktur in dem insgesamt eingetrübten weltwirtschaftlichen Umfeld aufzuhalten. Der Notenbank ist es durch einen beherzten Zinserhöhungszyklus zwar gelungen, die Inflation in den Griff zu bekommen. Dafür leiden jetzt private Haushalte und Unternehmen unter den erhöhten Zinskosten. Hinzu kommt noch, dass zum Jahreswechsel viele Entlastungsmaßnahmen auslaufen. 2023 dürfte die Wirtschaft deshalb nur um rund 1% wachsen. Letztlich also selbst für den Polit-Profi Lula ein herausforderndes Umfeld.

 

-- Dr. Christine Schäfer