Türkei: Noch trotzt der Konsum der gewaltigen Inflation

Die Leistung der türkischen Wirtschaft lag im dritten Quartal zwar noch um 3,9% über dem Vorjahresquartal. Gegenüber dem Vorquartal zeigt sich allerdings bereits ein leichter Rückgang. Vor allem der gewaltige Inflationsdruck lastet auf dem Ausblick für die Konjunktur.

 

 

Die türkische Wirtschaft hat in Q3 deutlich an Tempo verloren, dies zeigen die heute veröffentlichten Zahlen. Erstmals seit dem zweiten Quartal 2020 schrumpfte das Bruttoinlandsprodukt gegenüber dem Vorquartal. Auch wenn das Minus nur bei 0,1% liegt, so ist das eine scharfe Abbremsung im Vergleich zum Frühjahr, als noch ein Zuwachs von 1,9% zu Buche stand. Diese Entwicklung ist allerdings keine allzu große Überraschung. Denn der Slowdown der weltweiten Nachfrage drosselt auch die türkischen Exporte, während gleichzeitig die gewaltige Inflation und der damit verbundene Kostendruck an den Investitionen nagt. Diese schrumpften nicht nur das zweite Quartal in Folge, sondern der Rückgang beschleunigte sich sogar noch. Die sichtbar eingetrübte Stimmung in der Industrie lässt auch vorerst keine Erholung bei der Investitionstätigkeit erwarten.

 

Ein gänzlich anderes Bild liefert (noch) der private Verbrauch, der erneut kräftig zulegte, obwohl die Inflation im Quartalsdurchschnitt bei rund 82% lag. Dadurch wird den privaten Haushalten beim täglichen Einkauf viel Geld aus der Tasche gezogen. Dass vom privaten Konsum dennoch Wachstumseffekte ausgehen konnten, liegt wohl immer noch an den Nachholeffekten in Folge der Corona-Pandemie, aber auch an den umfangreichen finanziellen Entlastungen durch die Politik.

 

Der private Konsum dürfte aber wegen der anhaltend hohen Inflation seine Funktion als Wachstumsmotor einbüßen. Dafür spricht, dass nur eine sehr zögerliche Entspannung beim Preisanstieg zu erwarten ist. 2023 wird die Inflation im Jahresdurchschnitt wohl immer noch bei rund 40% liegen. Hier schlagen sich die unorthodoxe Geldpolitik der türkischen Notenbank und die damit verbundene Schwäche der türkischen Lira nieder. Erst zuletzt wurden die Leitzinsen erneut gesenkt und notierten dadurch nur noch bei 9%, während im Juli die Zinsen noch bei 14% lagen. Im internationalen Umfeld werden hingegen die Zinsen zur Inflationsbekämpfung (bei deutlich niedrigerem Preisauftrieb) eher weiter in die Höhe geschraubt.

 

An diesem leichtfertigen Umgang mit der Inflation wird die Regierung aber wohl festhalten. Denn gerade im Hinblick auf die Parlaments- und Präsidentschaftswahlen im kommenden Jahr sollen möglichst niedrige Zinsen den konjunkturellen Schwung stützen. So hat doch Staatspräsident Erdogan bereits seine erneute Kandidatur bekannt gegeben. Dennoch rechnen wir 2023 nur mit einem Wirtschaftswachstum von rund 1,5%. Im Umfeld der sehr schwachen Weltkonjunktur wäre das jedoch immer noch eine recht robuste Entwicklung.

 

-- Dr. Christine Schäfer


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