Aktienmarkt verharrt im Krisenmodus, DAX preist sogar Gewinnrezession ein

Trotz Erholungsrally preisen Marktteilnehmer weiterhin Gewinnrückgänge ein. Europa/Deutschland bieten Kurspotenzial bei niedrigen Erwartungen, US-Aktien bleiben weiter angespannt.

 

Steigende Unternehmensgewinne bei abnehmendem Wirtschaftswachstum? Das ist schwer nachvollziehbar, schiebt aber die Aktienkurse an. In die jüngste Aktienmarktrallye wird nun eine nachhaltige Stimmungsaufhellung der Anleger hineininterpretiert, ausgehend von (a) einem bisher ausgebliebenen dauerhaften Lieferstopp von russischem Gas in Deutschland (b) positiven Überraschungen in der aktuellen Berichtssaison sowie (c) einem vermeintlichen Gipfeln der geldpolitischen Straffung in den USA.

 

Trotz der Kursgewinne und der verbesserten Nachrichtenlage befindet sich der Aktienmarkt jedoch weiterhin in einem Krisenmodus, denn die in den Kursen enthaltenen Gewinnerwartungen für die Jahre 2022 bis 2024 liegen eigenen Berechnungen zufolge fortwährend deutlich unterhalb der veröffentlichten Konsensus-Analystenschätzungen. Marktteilnehmer preisen somit zusätzliche negative Gewinnrevisionen bis über -20% in die Aktienkurse ein. Konjunktursensible Sektoren sind sowohl in den USA als auch in Europa/Deutschland besonders stark betroffen, hierzu zählen Energie, Rohstoffe und Chemie. Internationale Rezessionssorgen – vor allem in den USA – für Ende 2022/Anfang 2023 haben in den vergangenen Wochen bereits vermehrt zu Negativrevisionen der Analystenschätzungen geführt. Unter Einbeziehung der erwarteten Gewinnrevisionen preist der Markt für den DAX in 2022 sogar ein negatives Gewinnwachstum von -2,6% ein, der Analysten-Konsensus erwartet jedoch weiterhin eine positive Rate im mittleren einstelligen Prozentbereich. Hier wird der Einfluss der angespannten Weltkonjunktur bei der Marktpreisbildung des zyklischsten europäischen Aktienindex sichtbar.

 

Wir sind davon überzeugt, dass der Aktienmarkt im aktuellen Umfeld zumindest kurzfristig noch anfällig für Kursschwankungen bleiben wird. Da dem Wirtschaftsumfeld entsprechende Gewinnkürzungen nun schon in den Kursen enthalten sind, bietet sich jedoch eine Basis für positive Überraschungen und damit Kurspotenzial. Wir belassen unsere Jahresendprognose für den DAX deshalb bei 14.500 Punkten. Die stramme Kurserholung des S&P 500 seit Juli erachten wir weiterhin nicht als ein Indiz für einen echten Wechsel der US-Anlegerstimmung, da über ein Drittel der Performance von nur vier Unternehmen getragen wurde. Die Gefahren für den US-Aktienmarkt sind unserer Meinung nach noch nicht verflogen, wir halten an unserer Jahresendprognose für den S&P 500 in Höhe von 4.000 Punkten fest.

 

-- Sven Streibel


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