Ist die türkische Inflation noch zu stoppen?

Die Inflation in der Türkei ist weiter in die Höhe geklettert und erreichte dadurch im Juni 78,6%. Gleichzeitig verschärfte sich das Stimmungstief der Verbraucher. Dabei hat die Inflation wohl noch nicht ihren Höhepunkt durchschritten.

 

 

Die türkische Inflation scheint kein Halten mehr zu kennen. Für Juni weist das Statistikamt gegenüber dem Vorjahr ein Preisplus von stattlichen 78,6% aus, nachdem bereits im Mai die 70%-Marke überschritten wurde. Expertenschätzungen gehen davon aus, dass die tatsächliche Inflation, die den Verbrauchern das Geld aus dem Portemonnaie saugt, sogar noch deutlich höher ist. Deshalb überrascht es nicht, dass sich die Werte der Konsumentenbefragungen bereits seit Ende des vergangenen Jahres, als die Inflation ins Laufen kam, tief im Keller befinden. Und nicht nur das: Es werden laufend neue Rekordtiefs seit Erhebung der Daten erreicht. Im Juni lag das Konsumklima einer offiziellen Umfrage nur noch bei 63,4 Punkten, im Juni 2021 wurde noch ein Wert von 81,7 Punkten verzeichnet. 

 

Der Kaufkraftverlust durch die galoppierende Inflation lastet also schwer auf der Konsumdynamik in der Türkei. Ihren Ursprung hat diese Misere vor allem in dem Werteverfall der türkischen Lira in den Jahren 2020 und 2021. Aber auch in diesem Jahr steht die Lira weiterhin unter Druck, da auf Wunsch der Politik die Notenbank die angespannte Inflationslage unverändert nicht mit Zinserhöhungen bekämpft.

 

Dabei ist es eher unwahrscheinlich, dass die Inflation bereits ihren Höhepunkt durchschritten hat. Damit ist frühestens im Herbst zu rechnen. Und dies ist dann auch stark einem statistischen Basiseffekt geschuldet, da im Herbst 2021 der Anstieg bei den Verbraucherpreisen deutlich zugelegt hatte. In diesem Jahr verteuert sich der Warenkorb eines türkischen Privathaushaltes im Durchschnitt wohl immerhin um rund 70%. Viele ältere Bürger dürften sich deshalb an das Ende der 1990er Jahre zurückversetzt fühlen, als sie zuletzt eine Inflation in dieser Größenordnung verkraften mussten.

 

Die Regierung plant weitere finanzielle Hilfsmaßnahmen für die privaten Haushalte, auch um den privaten Konsum als wichtigen Wachstumsmotor für die Konjunktur zu stützen. Bisher wurde unter anderem die Mehrwertsteuer auf ausgewählte Güter reduziert und auch der Mindestlohn kräftig erhöht. Bei ihren Entscheidungen in der nächsten Zeit dürfte die Politik aber nicht nur im Auge haben, dass wohl auch 2023 die Inflation immer noch sichtbar erhöht sein wird. Die Parlamentarier werden sicher auch der Tatsache Rechnung tragen, dass für den 18. Juni 2023 die nächsten Parlaments- und Präsidentschaftswahlen angesetzt sind und sie sich dann dem Bürgervotum stellen müssen.

 

-- Dr. Christine Schäfer


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