Ölmarkt in Alarmbereitschaft
Die neue Variante des Corona-Virus – Omikron – versetzt den Ölmarkt in Alarmbereitschaft, um nicht zu sagen in Angst und Schrecken. Seit seinem Jahreshoch bei rund 86 USD brach der Brent-Rohölpreis binnen weniger Tage um gut 17% ein. Anleger fühlen sich schon an den März 2020 erinnert, als die Corona-Krise dem Ölpreis mit einem Monats-Minus von 56% erstmals so richtig zusetzte. Obwohl die wissenschaftliche Auswertung der aktuellen Datenlage zu Omikron noch nicht abgeschlossen ist, kann davon ausgegangen werden, dass Omikron noch ansteckender als Delta ist und die bisherigen Impfungen wohl einen geringeren Schutz bieten. In welchem Umfang das so sein wird, ist aber noch völlig offen. Die Aussagen des CEOs von Moderna gehen in eine ähnliche Richtung, wobei Pfizer verlauten ließ, dass bei dreifach Vakzinierten zumindest ein Grundschutz bestehen könnte. Sowohl hierzu als auch zum Verlauf, der bisher als mild beschrieben wird, existiert noch keine abschließende wissenschaftliche Bewertung.
Reisebeschränkungen für den südlichen Teil des afrikanischen Kontinents, wo es zur ersten Eintragung von Omikron kam, werden bereits verhängt. Die Rückreisenden unterliegen einer strengen Test- und Quarantänepflicht. UK hat die Einreiseregeln sogar auf alle Einreisenden erweitert und Israel schließt die Grenzen für Ausländer völlig. Reisebeschränkungen sind zunehmend auch für andere Länder, die steigende Omikron-Inzidenzen vermelden, zu erwarten. Daher muss damit gerechnet werden, dass die Ölnachfrage des Transportsektors, der in den OECD-Ländern über 60% der Gesamtnachfrage ausmacht, im ersten Quartal 2022 zurückgehen wird. Vor allem in Europa, wo aktuell die vierte Corona-Welle läuft und zur Bekämpfung Lockdowns und Kontaktbeschränkungen wahrscheinlicher geworden sind, dürfte sich dies zeigen. Daher halten wir im ersten Quartal 2022 einen Rückgang der globalen Ölnachfrage von 1,5 MMBD bis 2 MMBD für realistisch. Sollte Omikron doch gefährlicher werden und den Impfschutz völlig unterwandern, kann der Nachfragerückgang sogar noch stärker ausfallen.
Auf der Angebotsseite ist es nun wahrscheinlich, dass die Opec+ als Reaktion auf a) das Anzapfen der strategischen US-Ölreserven und b) die Omikron-Unsicherheiten die geplanten Produktionserhöhungen aussetzt oder sogar die Produktions-Guidance senkt. Die Opec+ trifft sich schon am 2. Dezember 2021. Da wir mit einer Aktion der Opec+ rechnen, dürfte der zu erwartende Nachfragerückgang teilweise durch eine Angebotsanpassung im ersten Quartal 2022 abgefedert werden, sodass wir eine positive Gegenbewegung des Ölpreises für möglich halten. Dennoch ist unsere kurzfristige Ölprognose (+3 Monate) von 82 USD gefährdet, allerdings wollen wir mit einer finalen Anpassung noch warten, bis etwas mehr Klarheit über Omikron existiert und die Entscheidung der Opec+ fest steht. Bis dahin bleibt der Rohölmarkt extrem volatil.
Gabor Vogel