Weltspartag 2021: hohe Inflation und negativer Realzins
Die aktuell sehr hohe Inflation treibt die Menschen um. Im September ist der Preisanstieg in Deutschland auf 4,1% geklettert. Das war die höchste Inflationsrate seit Erhebung des HVPI. Für den Jahresdurchschnitt 2021 liegt unsere Prognose bei 3,0%. Gleichzeitig sinkt die Nominalverzinsung zinstragender Geldvermögensbestandteile wie Einlagen, Rentenpapiere oder Versicherungen seit Jahren immer weiter. Lag die Durchschnittsverzinsung dieser Anlagen zu Beginn des letzten Jahrzehnts noch bei knapp 2%, werden in diesem Jahr gerade noch 0,6% erreicht. Folge ist ein negativer Realzins von voraussichtlich –2,3% – ein neuer Negativrekord.
Weil der Zinseszinseffekt als Standbein des Vermögensaufbaus weitgehend weggebrochen ist, müssen Privathaushalte mehr zurücklegen, um ihre Sparziele zu erreichen. Allerdings fällt es durch die hohe Inflation derzeit schwerer, zu sparen. Gleichzeitig zwingen die niedrigen Zinsen private Anleger, sich für Anlagealternativen mit höheren Renditechancen zu öffnen, um ihr Geldvermögen vor der Entwertung durch Inflation zu schützen. Tatsächlich haben die sonst eher risikoscheuen Privathaushalte zuletzt mehr in Aktien und Fonds angelegt. Bereits 2020 lag die Geldvermögensbildung in diesen Anlageklassen weit über dem Durchschnitt der Jahre zuvor. Im ersten Halbjahr 2021 erreichte sie dann mit 59,4 Mrd. Euro das 2,3fache dessen, was die Bürger vor der Corona-Krise im Durchschnitt in einem Halbjahr neu investierten.
Die niedrigen Zinsen zwingen auch die Politik zur Reform der privaten kapitalgedeckten Altersvorsorge. Dabei steht vor allem die Riester-Rente in der Kritik. Sie gilt als zu bürokratisch, weshalb nicht alle Berechtigten erreicht werden und den Anbietern hohe Kosten entstehen. Zudem fußen die meisten Verträge bei der Kapitalanlage auf sicheren Wertpapieren, die niedrige oder gar negative Renditen aufweisen. Eine Entbürokratisierung der Riester-Rente oder ein Nachfolgeprodukt muss daher vor allem beim Zulagenverfahren und beim Kreis der Berechtigten ansetzen. Gleichzeitig gilt es, die 100%-Garantie für Beiträge und Zulagen zu lockern, um den Anbietern Spielraum für vorsichtig mehr Kapitalanlage mit besseren Renditechancen zu geben – beispielsweise in Aktien, Aktienfonds oder Immobilien. Zudem muss die Reform einen fairen Wettbewerb der Anbieter gewährleisten, dem sich auch ein möglicher staatlich verantworteter Altersvorsorgefonds stellen sollte.
Michael Stappel