Domino in Wien
Der alte Kanzler geht, der neue auch – nachdem der österreichische Ex-Bundeskanzler Kurz seinen Rückzug aus der Politik bekanntgab, trat auch sein Amtsnachfolger Alexander Schallenberger zurück. Als weiterer Dominostein fiel daraufhin Finanzminister Blümel um, der ebenfalls sein Amt aufgab.
Schallenbergers Schritt darf getrost dem Politikausstieg von Kurz zugeschrieben werden, zumindest indirekt. Offensichtlich rechnet er sich als Weggefährte von Kurz kaum Chancen auf den Posten des Bundesobmanns der regierenden ÖVP aus, den Kurz mit seinem Rückzug freigab. Es scheint fast so, als ob die türkise Bewegung, mit der Sebastian Kurz die österreichischen Konservativen im Sturm eroberte, ohne ihre Gallionsfigur an Einfluss verliert.
Dies dürfte vor allem dem Umstand geschuldet sein, dass Kurz die Übernahme des Parteivorsitzes im Jahr 2017 an Bedingungen knüpfte, die seinen Einfluss auf die ÖVP immens ausweiteten und sich auch in einer geänderten Parteifarbe äußerten. Die Partei akzeptierte dieses Vorgehen, schließlich profitierte sie von Kurz´ Popularität. Nach skandalträchtigen Monaten sind die Umfragewerte der ÖVP aber in den Keller gerauscht und sorgten für einen Richtungsstreit innerhalb der Partei. Der Rückhalt für ‚Alle Macht dem Vorsitzenden‘ ist nach Kurz` Rücktritt als Bundeskanzler allem Anschein nach rapide gesunken.
Gut möglich, dass die zur Parteifarbe Schwarz zählenden Konservativen innerhalb der ÖVP nun wieder das Zepter übernehmen und versuchen werden, das Kapitel Kurz hinter sich zu lassen. Auf einem eigens einberufenen Sonderparteitag soll die offene Führungsfrage geklärt und der bisherige Innenminister Nehammer als neuer Bundesobmann der ÖVP und damit zukünftiger Bundeskanzler bestimmt werden. Nehammer ist für seine harte Linie in der Flüchtlingsdebatte bekannt, europapolitisch trat er indes bislang nicht in Erscheinung.
Für das Amt des Finanzministers werden verschiedene Namen gehandelt, aber wer auch immer auf Blümel folgen wird, fiskalisch dürfte sich für Österreich nicht viel ändern. Die Konservativen stehen für einen wirtschaftsfreundlichen und fiskalisch stabilen Kurs. Österreich wird damit auch weiter zum Kreis der sparsamen Vier innerhalb der EWU gehören. Neuwahlen, die das ändern könnten, scheint derzeit niemand ernsthaft zu fordern und insbesondere die Grünen als ÖVP-Koalitionspartner zeigten sich bislang an einer Fortsetzung der Regierungsarbeit interessiert, unabhängig vom Kanzler.
René Albrecht