China: Konjunktur schwächt sich ab, aber kein Einbruch
Mit Beginn des Herbstes ist auch das konjunkturelle Umfeld in China deutlich rauer geworden. Turbulenzen am Immobilienmarkt durch die drohende Insolvenz des Immobilienkonzerns Evergrande, weitreichende Stromversorgungsengpässe in der Industrie sowie die nach wie vor praktizierte Null-Covid-Strategie drohten sich zu Beginn des laufenden Schlussquartals sogar zu einem perfekten Sturm zusammenzubrauen. Dieses Bild bestätigen die aktuellen Einkaufsmanagerumfragen vom Oktober jedoch nicht. Das Wirtschaftswachstum stockt, so die Botschaft der Umfragen, eingebrochen ist es jedoch nicht.
Aus der Industrie kommen erneut gemischte Signale: Mit 49,2 Punkten ist der staatlich ermittelte Einkaufsmanagerindex noch tiefer in den kontraktiven Bereich gefallen als im Vormonat. Der Indikator des privaten Analysehauses IHS Markit deutet dagegen mit einem Anstieg auf 50,6 Punkte auf eine leichte Erholung im verarbeitenden Gewerbe hin. Die Divergenz vom Vormonat hat sich also fortgesetzt. Sie dürfte hauptsächlich mit der unterschiedlichen Sektorzusammensetzung der beiden Indikatoren zusammenhängen: Während der offizielle Index (NBS) hauptsächlich staatliche Großkonzerne berücksichtigt, fokussiert die Markit-Umfrage stärker auf kleinere, exportorientierte Privatbetriebe. Dies passt zu den Nachrichten, dass energieintensive Bereiche wie die staatliche Schwerindustrie in den letzten Wochen primär von Stromabschaltungen betroffen waren. Der chinesische Außenhandel zeigt sich dagegen angesichts eines hohen Auftragspolsters immer noch von der kräftigen Seite und stützt die Konjunktur.
Die Stimmung im nicht-verarbeitenden Gewerbe hat sich zuletzt leicht eingetrübt, der Umfragewert bewegt sich aber weiterhin auf erhöhtem Niveau. Noch gehen von der rückläufigen Immobiliennachfrage der letzten Wochen offenbar keine stärkeren Belastungen aus. Vor allem die Bautätigkeit, die ebenfalls in den Indikator einfließt, blieb stabil. Die erneuten Corona-Einschränkungen vom Monatsende dürften in der aktuellen Umfrage allerdings nicht mehr erfasst worden sein, könnten das Sentiment im soeben begonnenen November aber wieder stärker belasten.
Die Aussichten für die chinesische Konjunktur im laufenden Schlussquartal sind verhalten, jedoch auch nicht dramatisch schlecht. Die Industrieumfragen deuten zusammengenommen bislang auf eine Stagnation der Industrieproduktion hin. Positiv ist, dass sich die Stromversorgung zuletzt wieder etwas verbessert hat, auch dank höherer Importe von Kohle und Gas und der Freigabe strategischer Reserven. Um Evergrande ist es ebenfalls etwas ruhiger geworden, nachdem das Unternehmen säumige Zinszahlungen geleistet hat. Mehr als ein Mini-Wachstum der Wirtschaftsleistung ist für das laufende vierte Quartal gegenüber dem Vorquartal aber wohl nicht zu erwarten. Das Vorjahreswachstum dürfte sich dann von 4,9% in Q3 auf rund 3 ½ % abschwächen.
Monika Boven