Geht die italienische Wachstumsserie zu Ende?

Italiens Wirtschaft wächst seit dem Jahr 2020 auffällig häufig stärker als die deutsche. Das Programm „Superbonus 110“ sorgte für Impulse. Ein altbekanntes Problem wurde dadurch verschleiert: die schwache Produktivitätsentwicklung. Italien braucht dringend Reformen. Mit dem Wegfall des ausgabenintensiven Superbonus-Programms beurteilen wir den konjunkturellen Ausblick vorsichtig.
 

Das Bild stellt zwei Hauptgraphen dar, die unterschiedliche ökonomische Entwicklungen in Italien und Deutschland über die letzten Jahrzehnte und Quartale vergleichen:

1. **Investitionsanstieg in Italien seit 2020:**
   - Die linke Seite des Bildes zeigt eine Balkendiagrammanalyse der verschiedenen Komponenten des Bruttoinlandsprodukts (BIP) im ersten Quartal 2023 im Vergleich zum ersten Quartal 2020 in Prozent.
   - Kernaussagen:
     - Staatlicher Verbrauch: Italien 8,5% Wachstum, Deutschland 8,4%
     - Privater Konsum: Italien 10% Wachstum, Deutschland 1,4%
     - Exporte: Italien 1,2% Wachstum, Deutschland 18,4%
     - Importe: Italien 1,3% Wachstum, Deutschland 21,9%
     - Investitionen: Italien 41% Wachstum, Deutschland -3,5%
   - Es wird hervorgehoben, dass Italien einen starken Anstieg bei Investitionen verzeichnet, während Deutschland in diesem Bereich einen Rückgang zeigt.

2. **Produktivitätsschwäche Italiens seit 30 Jahren:**
   - Die rechte Seite des Bildes zeigt ein Liniendiagramm der Produktivitätsentwicklung von Italien und Deutschland von 1970 bis 2020, gemessen am BIP-Abstand pro Arbeitsstunde.
   - Kernaussagen:
     - Deutschland zeigt einen kontinuierlichen Anstieg der Produktivität, insbesondere ab 1990.
     - Italien hat seit den 1990er Jahren eine stagnierende oder rückläufige Produktivität im Vergleich zu Deutschland.
   - Es hebt die wachsende Kluft in der Produktivitätsentwicklung zwischen den beiden Ländern hervor.

Insgesamt zeigt das Bild eine vergleichende Analyse der wirtschaftlichen Entwicklung und Herausforderungen zwischen Italien und Deutschland, wobei Italien durch den investitionsbedingten Aufschwung und die Produktivitätsschwäche charakterisiert wird.


Im ersten Quartal 2024 ist es Italien erneut gelungen, ein höheres Wirtschaftswachstum als Deutschland zu erzielen. Seit dem Pandemiejahr 2020 häufen sich auffällig die Quartale, in denen das italienische Wirtschaftswachstum das deutsche übertrifft. Ein Blick auf die Komponenten des Bruttoinlandsprodukts (BIP) zeigt, aus welcher Richtung die Impulse kamen. So waren es vor allem die Investitionen, die dem italienischen BIP in den letzten vier Jahren einen kräftigen Schub verliehen haben. Im europäischen Vergleich ist dies eine eher ungewöhnliche Entwicklung. Denn mit der Corona-Pandemie und spätestens seit der Anhebung des europäischen Leitzinses ist vor allem der Bausektor in vielen europäischen Ländern stark geschwächt worden. Nicht so in Italien. Dort hat die Regierung unter Giuseppe Conte den umstrittenen "Superbonus 110" eingeführt.

 

Mit dem Auslaufen des Programms im April 2024 dürfte die Nachfrage nach Baustoffen zurückgehen. Der Superbonus hat also keine nachhaltige Entwicklung angestoßen. Dabei braucht das Land dringend eine wirtschaftspolitische Rosskur. Seit mehr als 30 Jahren leidet das Land unter einer anhaltenden Produktivitätsschwäche, die sich in einer überwiegend schwachen konjunkturellen Wachstumsdynamik niederschlägt. Geringe Investitionen, ein im OECD-Vergleich unterdurchschnittliches Bildungs- und Berufsqualifikationsniveau sowie regulatorische und steuerliche Fehlanreize sind nur einige von vielen Ursachen für die Produktivitätsschwäche Italiens. Ohne tiefgreifende Reformen kann das Problem nicht überwunden werden.

 

Entsprechend vorsichtig beurteilen wir die weiteren konjunkturellen Aussichten für Italien. Zuletzt hat zwar neben der Bauwirtschaft vor allem der boomende Tourismus die moderate Wirtschaftsentwicklung stabilisiert. Da die Bautätigkeit nach dem Auslaufen des Superbonus nachlassen dürfte, ist im weiteren Jahresverlauf nicht mehr mit einer nennenswerten Wachstumsdynamik zu rechnen. Es ist daher durchaus wahrscheinlich, dass die deutschen Wachstumsraten in den kommenden Quartalen wieder über denen Italiens liegen werden. Vor diesem Hintergrund bleibt unsere Konjunkturprognose für Italien verhalten: +0,7% J/J im Jahr 2024.

 

-- Matthias Schupeta