DZ BANK Zinsprognose: Am Zinsgipfel

Die EZB dürfte den Höhepunkt der Leitzinsanhebungen erreicht haben. Wir rechnen mit unveränderten Leitzinsen bis weit ins nächste Jahr hinein. Am Markt gibt es Spekulationen, dass die EZB ihr Regelwerk anpassen und hierüber eine weitere Straffung der Geldpolitik in Erwägung ziehen könnte.
 

Nach der jüngsten Zinsanhebung der EZB und angesichts der Schwäche der Wirtschaft dürften die geldpolitischen Zinszügel nicht noch einmal gestrafft werden, auch wenn die Inflationsraten in den kommenden Monaten langsam zurückgehen sollten. So spricht man im Euroraum derzeit nicht mehr von Stagflation, sondern unlängst hat sich die Wortschöpfung einer Rezflation etabliert. Gemeint ist damit die Kombination von anhaltend hohen Inflationsraten und einer Rezession. Diese Rezflations-Phase dürfte noch einige Zeit andauern. Erst im kommenden Jahr rechnen wir mit einer zögerlichen Erholung der wirtschaftlichen Dynamik. Die Inflationsrate dürfte nach unserer Einschätzung bis 2024 im Jahresdurch­schnitt leicht über der Marke von drei Prozent verharren. Rasche Leitzins­senkungen der europäischen Währungshüter sind daher unwahrscheinlich.

 

Am Markt und in den Reihen der Währungshüter wird derzeit diskutiert, wie die EZB die Geldpolitik weiter straffen kann, ohne die Leitzinsen erneut anheben zu müssen. Gleichzeitig sehen sich einige nationale Zentralbanken und die EZB mit möglichen Bilanzverlusten konfrontiert. So zahlt die Notenbank auf die Überschussreserven von derzeit rund 3.600 Mrd. Euro den Einlagenzins. Eine mögliche Bilanzverkürzung könnte zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Zum einen ginge hiervon ein zusätzlicher restriktiver Impuls aus. Zum anderen wäre dies eine weitere Möglichkeit, die Auszahlungen an die Banken zu verringern, die den Währungshütern offensichtlich ein Dorn im Auge sind. Neben den anstehenden Rückzahlungen der TLTROs (bis Ende des Jahres werden regulär rund 100 Mrd. Euro fällig) gibt es verschiedene Optionen, die jeweils mit Vor- und Nachteilen verbunden sind:

  • Quantitative Straffung: Abbau der APP-Bestände oder Reduzierung der Reinvestitionen im PEPP
  • Reduzierung der Zinszahlungen auf Staatseinlagen nach dem Vorbild der Bundesbank
  • Erhöhung der Mindestreserve
  • Reverse-Tiering: Ein Teil der Überschussreserven wird zu Null verzinst

Eine nachhaltige Straffung der geldpolitischen Zügel könnte durch den Abbau der Wertpapierbestände erreicht werden, die im Rahmen des APP (Asset Purchase Programme) oder des PEPP (Pandemic Emergency Purchase Programme) erworben wurden. Dabei kann die EZB Anleihen aus dem APP aktiv verkaufen oder die Reinvestitionen aus dem PEPP vorzeitig beenden. Bei einem aktiven Verkauf von Wertpapieren aus dem APP würde die Notenbank jedoch Verluste realisieren, die aus dem starken Renditeanstieg der letzten Jahre resultieren. Dies halten wir angesichts der ohnehin drohenden Verluste für unwahrscheinlich. Wir haben uns daher schon seit längerem für eine frühzeitige Reduzierung oder gar Beendigung der Reinvestitionen des PEPP ausgesprochen, auch wenn dies die Flexibilität der EZB einschränkt, auf einen möglichen Anstieg der Refinanzierungskosten der EWU-Länder schnell zu reagieren.

 

Ein zusätzlicher restriktiver Impuls könnte von einer Reduzierung der Zinszahlungen auf Einlagen der öffentlichen Hand ausgehen. Die Bundesbank ist diesbezüglich bereits vorgeprescht und hat kürzlich beschlossen, die bei ihr unterhaltenen Einlagen der öffentlichen Hand nicht mehr zu verzinsen. Andere nationale Zentralbanken könnten diesem Beispiel folgen. Wir können uns einen solchen Schritt durchaus vorstellen. Die Bilanz würde dadurch allerdings nur geringfügig verkürzt, da diese Position lediglich 220 Mrd. Euro ausmacht und die Einlagen unseres Erachtens nicht vollständig abgezogen würden.

 

Eine weitere Maßnahme, die zuletzt verstärkt diskutiert wurde, ist die Anhebung des Mindestreservesatzes und damit diejenigen Reserven, die die Banken bei der EZB hinterlegen müssen. Bereits im Juli hatte die EZB die Finanzmärkte mit der Ankündigung überrascht, keine Zinsen auf die Mindestreserve zu zahlen. Derzeit kursieren am Finanzmarkt Gerüchte, dass die Mindestreserve verdoppelt oder gar verdreifacht werden könnte.

 

-- Birgit Henseler


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