Italien: Die Sorge vor dem Kipppunkt

Der starke Rendite- und Spread-Anstieg bleibt nicht ohne Folgen für Italien. Sollten die Refinanzierungskosten auf dem aktuellen Niveau bleiben, müsste die Regierung einen Primärüberschuss von 1% des BIP erzielen, um längerfristig einen Anstieg der Schuldenstandsquote zu vermeiden.
 

2022 sind sowohl die Renditen als auch die Spreads in einem lange nicht gesehenen Umfang angestiegen. Inflation und Leitzinsen wurden zum gemeinsamen Treiber, während der Markt fundamentale und einzellandspezifische Risiken zunehmend ausblendete. Angesichts der deutlich höheren Rendite- und Spreadniveaus drängt sich mittlerweile die Frage auf, wann bei den Refinanzierungskosten ein kritischer Punkt erreicht sein wird, ab dem die Staatsverschuldung nachhaltig ansteigen würde.

 

Unsere Berechnungen auf Basis der makroökonomischen Prognosen des IWF und der DZ BANK Zinsprognose am Beispiel von Italien zeigen, dass das Land bereits auf einen kritischen Punkt bei den Refinanzierungskosten zusteuert. Während der Primärsaldo in den letzten drei Jahren klar negativ war, ist die siebenjährige BTP-Rendite mittlerweile auf 4,2% angestiegen. Sollten die Refinanzierungskosten auf diesem Niveau bleiben, müsste Italien ab 2023 einen Primärsaldo von 1% des BIP erzielen, um die Schuldenstandsquote auf Sicht von zehn Jahren stabil zu halten. Um dieses optimistische Ziel zu erreichen, bedürfte es jedoch eines klaren Reform- und Sparwillens. Seit dem Amtsantritt der neuen italienischen Regierungschefin Giorgia Meloni warten die Investoren allerdings vergeblich auf eindeutige Anzeichen, in welche Richtung die künftige Fiskalpolitik gehen soll.

 

Gelingt es der Regierung nicht, einen deutlich positiven Primärsaldo zu erreichen, oder sollten die Refinanzierungskosten noch weiter zunehmen, droht sich der Anstieg der Schuldenstandsquote zu beschleunigen. Denn während sich Änderungen im Primärsaldo unmittelbar auf die Schuldenstandsquote auswirken, schlagen die gestiegenen Refinanzierungskosten erst nach einigen Jahren vollständig zu Buche. Erkennen die Investoren jedoch, dass die Staatsfinanzen längerfristig nicht nachhaltig sind, preisen sie dieses erhöhte Risiko in der Regel unmittelbar in den Risikoaufschlägen ein – zusätzlich zum fundamental kritischen Punkt bei den Refinanzierungskosten wäre dann auch ein psychologischer Kipppunkt erreicht. Damit könnte im ungünstigsten Fall ein Teufelskreis aus steigenden Refinanzierungskosten und einer weiteren Verschlechterung der Schuldentragfähigkeit in Gang gesetzt werden. Als ein möglicher Katalysator dafür könnten sich nicht zuletzt die Bonitätsüberprüfungen seitens der großen Ratingagenturen herausstellen. Die nächsten Ratingtermine für Italien sind für Mitte April bis Mitte Mai datiert.

 

-- Sophia Oertmann


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