China setzt sich erreichbares Wachstumsziel

Um 5% soll die chinesische Wirtschaft in diesem Jahr wachsen. Dank der frühen und kräftigen Öffnungseffekte nach dem Ende der Null-Covid-Politik sollte dies kein größeres Problem darstellen.
 


Die Festlegung des jährlichen Wachstumsziels, das traditionell zum Auftakt des Nationalen Volkskongresses Anfang März bekannt gegeben wird, ist seit Jahrzehnten ein Politikum in China. Es soll wirtschaftliche Stabilität signalisieren, wofür die – und nur die – politische Führung sorge, aber auch deren Konjunkturoptimismus zum Ausdruck bringen. Gleichzeitig muss der Zielwert den demografischen Realitäten einer alternden und allmählich schrumpfenden Bevölkerung Rechnung tragen, weshalb er seit der Finanzkrise schrittweise von 8 auf aktuell 5% abgesenkt wurde. Vor allem aber sollte das Wachstumsziel eins: Erreichbar sein und erreicht werden. In der Vergangenheit wurden zur Einhaltung der Wachstumsvorgaben regelmäßig staatliche Investitionsmaßnahmen sowie – mutmaßlich – Aufbesserungen in der Wachstumsstatistik bemüht. Im vergangenen Jahr allerdings ist die Zielvorgabe aufgrund der strengen Null-Covid-Einschränkungen krachend verfehlt worden. Statt um die angepeilten 5,5% ist die chinesische Wirtschaft 2022 „nur“ um 3% gewachsen – das ist für ein Schwellenland wie China ein mageres Ergebnis.

 

Das soll sich so wohl keinesfalls wiederholen, weshalb die chinesische Regierung in diesem Jahr gleich „auf Nummer Sicher“ gegangen ist und den Zielwert nochmals abgesenkt hat, auf 5,0%. Viele China-Beobachter waren dagegen zuletzt eher von einer Anhebung des Wachstumsziels in Richtung 6% ausgegangen, weil jüngste Konjunkturdaten wie die Umfragen unter den Einkaufsmanagern signalisieren, dass sich die chinesische Wirtschaft aktuell wohl bereits kräftig von den dramatischen Folgen der Null-Covid-Politik erholt. Dieser Versuchung hat Peking jedoch widerstanden. Mit 5% liegt der Zielwert jetzt etwa wieder auf dem längerfristigen und durch die Demografie leicht abwärts gerichteten Trendpfad aus der Vor-Corona-Zeit. Gleichzeitig trägt die chinesische Regierung mit der Festsetzung eines relativ vorsichtigen Wachstumsziels den zahlreichen nationalen und internationalen Risiken Rechnung: der immer noch krisenhaften Entwicklung des heimischen Immobiliensektors, dem Technologiekonflikt mit den USA, aber auch den weiterhin unwägbaren Folgen des Ukraine-Kriegs, der hohe Energiepreise und der schwachen Weltwirtschaft.

 

Dank deutlicher Auf- und Nachholeffekte nach dem Ende der Null-Covid-Politik, die sich vor allem für die laufende erste Jahreshälfte abzeichnen, dürfte das Wachstumsziel in diesem Jahr gleichwohl gut einzuhalten sein. Die Erholung dürfte hauptsächlich vom Privaten Konsum getragen werden. Mit größeren Fiskalstimuli, für die die Mittel nach den kostspieligen Anti-Corona-Maßnahmen ohnehin relativ knapp sein sollten, rechnen wir in diesem Jahr dagegen nicht. Allerdings dürfte sich das Wachstum schon in der zweiten Jahreshälfte wieder deutlich abkühlen und im kommenden Jahr auch wieder niedriger ausfallen.

 

-- Monika Boven


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