Aktienkurspotenzial nach jüngster Rally kurzfristig begrenzt

Investoren haben zuletzt viel Pulver am Aktienmarkt verschossen, für einen nachhaltigen Aufwind braucht es aber mehr Perspektive.
 

Die letzten Tage haben erneut gezeigt, wie stark der Aktienmarkt weiterhin an der Nachrichtenlage bezüglich Zinsen und der Konjunkturerwartungen hängt. Jede positive Meldung über die Großbaustellen Zinswende und Nachfrageentwicklung in den USA bzw. China reißen Investoren aus ihrer Anlagedepression heraus. Wie schon oft erwähnt, hat neben der Aktienneubewertung im Zuge der Zinswende vornehmlich das schlechte Anlegersentiment insbesondere Zykliker in diesem Jahr gedrückt. Das dürfte sich spätestens dann bessern, wenn ein neuer Wirtschaftsaufschwung nach der fast schon „herbeigesehnten“ Rezession in greifbare Nähe rückt.

 

Investoren haben zuletzt viel Pulver am Aktienmarkt verschossen, die jüngste Kursrally war beachtlich. Vor dem Hintergrund der Fundamentaldaten und des immer noch pessimistischen Sentiments dürfte kurzfristig aber die Luft raus sein. Fakt ist, dass Aktien aufgrund der mittlerweile gestiegenen Anleiherenditen merklich an Attraktivität verloren, insbesondere vor dem Hintergrund der vorherrschenden Risiken. Die Überrendite von Aktien über der Verzinsung von Anleihen (die sogenannte Aktienrisikoprämie, ERP), sprich die Entlohnung eines Aktienanlegers für das Risiko seines Aktieninvestments, ist im Zuge der jüngsten Kursrally seit Oktober stark gesunken. Die ERP ist somit auch ein Maß für die Attraktivität von Aktien gegenüber Anleihen, da sie eine Überrendite über die Anleiheverzinsung darstellt. Mit der von dieser Seite akut niedrigen Attraktivität von Aktien gegenüber Anleihen erscheint der jüngste Kursaufschwung am Aktienmarkt allerdings begrenzt zu sein. Der Ausblick für das Restjahr bleibt daher nüchtern.

 

Damit die ERP wieder ansteigen beziehungsweise Aktienattraktivität und neues Kurspotenzial entstehen kann, muss der weiterhin bestehende Anlegerpessimismus weiter ausgepreist und ein höheres Gewinnwachstum für die Folgejahre eingepreist werden. Der Wirtschaftsaufschwung, den wir für das Frühjahr 2023 nach der Rezession im Winter vorhersagen, muss antizipiert werden. Für Ende 2023 erwarten wir den DAX bei 15.000 Punkten, den S&P 500 bei 4.400 Punkten.

 

-- Sven Streibel