Deutscher Wohnungsmarkt: Beim Neubau zeichnet sich ein spürbarer Rückgang ab

Zur Entspannung der Wohnungsmärkte soll mehr gebaut werden. Doch 2021 sank die Zahl neu gebauter Wohnungen um über 4%. Im laufenden Jahr könnte der Rückgang noch deutlich kräftiger ausfallen.

 

 

Mit dem Bau von 400.000 Wohnungen im Jahr – davon 100.000 geförderte – will die Bundesregierung die Anspannung am Wohnungsmarkt lindern. Dass der Wohnungsbau in dieser Größenordnung womöglich den tatsächlichen Bedarf übersteigt, erscheint fast nebensächlich, denn die Zielgröße ist auf absehbare Zeit unerreichbar. Im vergangenen Jahr sanken die bis 2020 mühsam über die 300.000-Marke gekletterten Wohnungsfertigstellungen um 4,2%. Bei den gefragten Ein- und Zweifamilienhäusern ging es um 9% bergab, Geschosswohnungen lagen mit mehr als 3% im Minus. Gebremst hat die voll ausgelastete Bauwirtschaft, die auch wegen fehlender Fachkräfte den hohen Auftragsbestand nicht abbauen kann. Dazu kamen Materialengpässe. Demgegenüber wurden 2021 380.000 Baugenehmigungen erteilt, sodass sich über die Jahre ein Überhang genehmigter Wohnungen von rund 850.000 Einheiten aufgestaut hat.

 

Im laufenden Jahr könnte der Rückgang beim Bau noch größer ausfallen. Der Krieg in der Ukraine unterbrach Lieferketten, sodass die Lücken beim Baumaterial noch größer werden und so den Neubau ebenso wie Sanierungen verzögern. Zudem verteuern sich Baustoffe rapide: Zum Ende des ersten Quartals kosteten Betonstahl, Spanplatten und Bitumen 70% mehr als im März 2021, Dachlatten verteuerten sich um 60%. Insofern können Baustellen auch stillstehen, weil Bauherren und Bauträger die Finanzierung der höheren Baukosten regeln müssen. Perspektivisch wird die Baudelle noch tiefer, weil neue Projekte auf Eis gelegt werden. Bauträger können angesichts stark steigender Baukosten und Bauverzögerungen kaum noch Endpreise für die Käufer sowie Fertigstellungstermine kalkulieren. Planen sie mit viel Puffer, dürfte das die Kaufinteressenten abschrecken, die durch die gestiegenen Zinsen ohnehin Abstriche bei ihrem Finanzierungsrahmen machen müssen. Aber auch der Mietwohnungsbau leidet: Die höheren Bau- und Finanzierungskosten können immer weniger mit den erzielbaren Mieteinnahmen erwirtschaftet werden.

 

Unter dem Strich kann der Wohnungsbau 2022 und danach erheblich schwächer als bisher ausfallen. Mit kräftig steigenden Baukosten, fehlendem Baumaterial und merklich verschlechterten Finanzierungskonditionen kommen mehrere Belastungsfaktoren zusammen. Die Leidtragenden sind aber nicht nur Bauwillige, Baufirmen, Wohnungssuchende sowie Bauträger. Bislang waren die steigenden Wohnungsbauinvestitionen eine zuverlässige Konjunkturstütze. Mit Blick auf die ohnehin hohen Belastungen für die deutschen Wirtschaft kommt die Baudelle zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt.

-- Thorsten Lange