Türkische Wirtschaft im zweiten Quartal noch sehr robust

Im zweiten Quartal lag die gesamtwirtschaftliche Leistung der Türkei um 7,6% über dem Vorjahresquartal. Für Schub sorgten Warenexporte und die Erholung im Tourismussektor. Auf dem Ausblick für die Konjunktur lastet jedoch die extrem hohe Inflation.

 

 

Das Wachstum der türkischen Wirtschaft lag in Q2 bei 7,6% gegenüber dem Vorjahr, dies zeigen die am 31.08.22 veröffentlichen Zahlen. Der konjunkturelle Schwung vom ersten Quartal konnte also trotz der rekordhohen Inflation aufrechtgehalten werden. Wichtige Impulse lieferten kräftige Warenausfuhren, aber auch der private Konsum und vor allem umfangreiche Touristenströme aus dem Ausland.

 

Die Rückkehr der Urlauber fiel sogar noch kräftiger aus, als von der Branche erwartet wurde. Eine Rolle dürfte dabei gespielt haben, dass die Attraktivität der türkischen Küste als Reiseziel noch durch die Schwäche der türkischen Lira verstärkt wurde. Im vergangenen Jahr wertete die Lira bereits um 43% gegenüber den Währungen der wichtigsten Handelspartner ab und seit Jahresbeginn ging es nochmals um fast 20% nach unten. Deshalb ist es kaum verwunderlich, dass im bisherigen Jahresverlauf die Zahl der Reisenden nur leicht unterhalb der hohen Zahl aus dem Jahr 2019 liegt. Aus Deutschland sind bereits knapp 3 Millionen Urlauber angereist, auf Platz 2 folgen 2,2 Millionen Russen. Besonders der Zustrom von wohlhabenden Russen, die in der Vergangenheit eher an das westliche Mittelmeer reisten, ist deutlich gestiegen.

 

Während die Schwäche der Währung für ausländische Touristen eine gute Nachricht ist, sieht es ganz anders für die türkischen Privathaushalte aus. Denn diese leiden schwer unter einer Inflation von 80%, die letztlich das Ergebnis eines Irrwegs der türkischen Geldpolitik ist. Staatspräsident Erdogan will die Konjunktur durch möglichst niedrige Zinsen befeuern und nimmt dafür eine immer wieder aufflammende Währungskrise sowie eine Inflationsspirale in Kauf. Erst Mitte August überraschte die Notenbank mit einer Senkung der Leitzinsen von 14 auf 13%.

 

Durch dieses Umfeld und den insgesamt verhaltenen Schwung der Weltkonjunktur dürfte sich auch in der Türkei die Konjunktur sichtbar verlangsamen. Durch stark rückläufige Realeinkommen sind die Verbraucher sehr pessimistisch gestimmt und in den Industriebetrieben sorgt der hohe Kostendruck für Unsicherheit. Für 2022 rechnen wir deshalb im Jahresdurchschnitt mit einem Wirtschaftswachstum von 3,7% und 2023 nur noch von 1,4%.

 

-- Dr. Christine Schäfer


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