Deutscher Wohnungsmarkt: Preise steigen 2021 erstmals zweistellig
An kräftig steigende Immobilienpreise haben wir uns bereits gewöhnt. Doch die aktuelle Preisdynamik stellt die bisherige Entwicklung noch in den Schatten. Im zweiten Quartal 2021 legten die vom Verband deutscher Pfandbriefbanken gemessenen Wohnungspreise erstmals um insgesamt mehr als 10% gegenüber dem Vorjahr zu. Die Werte für das dritte Quartal fielen noch höher aus. Mehrfamilienhäuser verteuerten sich binnen Jahresfrist um 10,4%, selbstgenutztes Wohneigentum um 12,5%. Ein Reihenhaus kostet damit mehr als eine halbe Million Euro.
Doch was treibt die schon hohen Wohnungspreise in die Höhe? Bei Mehrfamilienhäusern fußt die hohe Investorennachfrage neben den niedrigen Anleiherenditen auf einem eingeengten Anlagespektrum wegen coronabedingter Belastungen für Gewerbeimmobilien. Selbstgenutztes Wohneigentum profitiert von einer veränderten Wohnpräferenz: Viel zuhause verbrachte Zeit, die Sorge vor einer Corona-Infektion und Homeoffice verstärkten den Wunsch nach geräumigen Häusern. Zudem liegen die Hypothekenzinsen am Rande ihres historischen Tiefs. Deshalb ist der Immobilienkauf vergleichsweise attraktiv, auch weil die Wohnungsmieten ebenfalls – zuletzt um rund 4% jährlich – zulegen. Demgegenüber ist das Immobilienangebot meist knapp. Es verbessert sich jedoch sukzessive: 2020 entstanden 306.000 Wohnungen, fast doppelt so viele wie 2009. Dagegen hat sich das Bevölkerungswachstum verlangsamt.
Im aktuellen Umfeld aus niedrigen Zinsen und wirtschaftlicher Erholung sind weiter steigende Preise wahrscheinlich. Der rasante Preisanstieg schmälert jedoch die erzielbare Mietrendite genauso wie die Erschwinglichkeit. Bislang können aber viele Haushalte die Kreditvergabeanforderungen der Banken noch erfüllen. So legte die Vergabe privater Immobilienkredite während der Pandemie weiter auf fast 24 Mrd. Euro pro Monat zu. Neben steigenden Preisen könnten vor allem höhere Zinsen den Immobilienkauf erschweren. Nach einem Anstieg von 1% auf 2% wäre der Hypothekenzins noch niedrig, doch ein Darlehen über eine halbe Million Euro ginge mit einer um 5.000 Euro pro Jahr höheren Zinszahlung einher.
Dagegen könnte die gestiegene Inflation den Immobilienmarkt unterstützen. Steigen die Einkommen schneller, geht die prozentuale Einkommensbelastung zurück. Zudem entwerten negative Realzinsen Geldanlagen und fördern so die Anlage in Sachwerten wie Immobilien. Unter dem Strich wird der Preisanstieg am Wohnungsmarkt aber wohl nachlassen. Im kommenden Jahr dürfte das jährliche Preisplus in den oberen einstelligen Bereich zurückgehen. Die Risiken einer Marktkorrektur sind trotz hoher Preise und einer wachsenden privaten Verschuldung eher moderat. Dazu tragen vor allem die niedrige Arbeitslosigkeit und die weite Verbreitung von Festzinskrediten bei, die Bestandsdarlehen vor steigenden Zinsen schützen.
Thorsten Lange
