Politische Unsicherheit kehrt auf die iberische Halbinsel zurück
Jahrelang mussten sich Anleger beim Thema politische Unsicherheit auf der iberischen Halbinsel mit Spanien beschäftigen. Der Konflikt zwischen Spanien und Katalonien, aber auch die zahlreichen Neuwahlen des Madrider Parlaments verunsicherten die Anleger. Hiervon konnte Portugal profitieren, da Premier Costa trotz seiner Minderheitsregierung seit Ende 2015 in der Lage war, das ehemalige Krisenland Portugal wirtschaftlich wieder auf die Spur zu bringen. Während der Amtszeit Costas kehrte das Land vollumfänglich in den Investment-Grade-Bereich zurück und die iberische Nation zählte innerhalb der EU zu den Ländern, die vor der Corona-Krise mit die höchsten Primärüberschüsse erzielten. Am Markt für EWU-Staatsanleihen begrüßten Investoren die Entwicklung Portugals. In Verbindung mit den Anleihekäufen der EZB unterschied der Markt seit 2019 trotz einer Differenz der Rating-Profile von im Schnitt rund zwei Ratingstufen kaum noch zwischen portugiesischen und spanischen Staatsanleihen.
Seit der vergangenen Woche ist nun die Erfolgsgeschichte Portugal mit politischer Unsicherheit behaftet. Das portugiesische Parlament hat den Haushaltsentwurf der Administration Costa für das kommende Jahr abgelehnt und das Land damit in eine politische Krise gestürzt. Das Problem? Im Vorfeld der Abstimmung hatte Staatspräsident Marcelo Rebelo de Sousa bereits angedroht, das Parlament in der Folge aufzulösen und den Weg für Neuwahlen freizumachen. Bislang wurde nur ein einziges Mal nach der Nelkenrevolution von 1974 ein Budgetentwurf im Parlament abgelehnt. Damals, Ende der 1970er Jahre, hatte dies aber keine Neuwahlen nach sich gezogen. Somit stehen Portugal politisch unsichere Zeiten bevor. Nach diversen Konsultationen in den vergangenen Tagen könnte Staatspräsident de Sousa in dieser Woche das Parlament auflösen, was vorzeitige Neuwahlen zur Folge hätte. Auf Basis der aktuellen Wahlumfragen dürfte sich die Arithmetik im Parlament dadurch kaum ändern. Ein wesentlicher Profiteur wäre demnach nur die rechtsextreme Partei Chega.
Am Kapitalmarkt könnte die politische Unsicherheit in Portugal nun dazu führen, dass Anleger die Gunst der Stunde nutzen und sich nun stärker auf Spanien fokussieren. Zwischen Spanien und Portugal dürfte so nun wieder stärker differenziert werden, sodass die durch die EZB hervorgerufene Verzerrung bei Staatsanleihen auf der iberischen Halbinsel wieder etwas abnehmen dürfte.
Sebastian Fellechner