ESG und Unternehmensanalyse

Ein Ansatz, sich der Thematik Unternehmensanalyse unter ESG-Gesichtspunkten zu nähern, ist die Betrachtung des jeweiligen Geschäftsmodells. Vor entsprechenden Fragestellungen gilt es aber, einen Schritt zurückzutreten, um den Blickwinkel zu weiten.

Ausgangspunkt ist das Erkennen globaler Megatrends. Zentral sind hier die ökologische und energiepolitische Transformation sowie eine sich schneller verändernde Haltung zu sozialen Aspekten. Aus diesen Trends erwachsen Ansprüche und aus diesen wiederum Anforderungen. Beispiel Klimaschutz: Im Rahmen des „European Green Deal“ hat die EU den Anspruch, den Kontinent bis 2050 klimaneutral zu machen. Hieraus werden regulatorische Anforderungen entstehen, welche zum Beispiel die Nutzung von PKW-Verbrennungsmotoren betreffen. Zudem stellt die Gesellschaft insgesamt immer höhere Ansprüche an die Nachhaltigkeit von Produkten und Dienstleistungen.

Aus den sich ändernden regulatorischen, gesellschaftlichen und nachfrageseitigen Anforderungen wird für Unternehmen die Notwendigkeit resultieren, das Geschäftsmodell so zu positionieren, dass Risiken erkannt und Chancen ergriffen werden. Bei den Belastungen sind folgende Fragestellungen angebracht: Wie hoch sind die Kosten, um den neuen ESG-Anforderungen gerecht zu werden? Muss mit niedrigeren Margen kalkuliert werden? Gibt es Wettbewerber, deren Geschäftsmodelle sich schneller anpassen? Wie ist der Wert einzelner Vermögenspositionen vor dem Hintergrund sich wandelnder Rahmenbedingungen zu sehen? Prominent stehen dabei Anlagen zur Förderung und Verarbeitung fossiler Brennstoffe im Fokus, die teilweise wertlos und zu sogenannten „stranded assets“ werden könnten. Die Gedanken strahlen auch auf die Finanzierungsseite aus. So dürfte der regulatorische und öffentliche Druck auf die Kapitalgeberseite zunehmen, die Finanzierung klimaschädlicher Prozesse in Frage zu stellen. Ähnliches könnte sich bei anderen ESG-kritischen Geschäftsmodellen zeigen – mit entsprechend negativen Auswirkungen auf die relativen Finanzierungskonditionen betroffener Unternehmen.

Allerdings gilt es ebenso, die Chancen nicht aus den Augen zu verlieren. Diese sollten sich für Unternehmen ergeben, welche sich schon jetzt an den neuen ökologischen oder sozialen Anforderungen orientieren oder glaubhaft einen Wandel einleiten, welche hierzu auch über die technologischen und finanziellen Möglichkeiten verfügen oder welche – Beispiel Schienenverkehr – regulatorisch in der ökologischen Transformation bevorzugt scheinen.

 

-- Torsten Hähn


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