Bundrenditen – die Null im Blickpunkt?

In den zurückliegenden Wochen hat der kräftige Anstieg der zehnjährigen Bundrenditen den Rentenmarkt beschäftigt, wenngleich zuletzt eine Konsolidierung eingesetzt hat. Vor dem Hintergrund der aktuellen Dynamik stellt sich die Frage, wie weit die Zehnjahresrenditen noch steigen können. Dem Trend folgend erwarten einige Marktteilnehmer, dass die Marke von 0,0% schon bald gerissen werden kann. Mehrere Faktoren setzen den Bundesanleihen derzeit zu: Ein Anstieg der Inflationserwartungen, positivere Frühindikatoren nach der dunklen Zeit der Pandemie und die wachsende Befürchtung, die EZB könnte die Geldpolitik schon bald weniger expansiv ausgestalten.

 

Das Umfeld für die zehnjährige Bundrendite bleibt insbesondere schwierig, da die anhaltenden Inflationssorgen der Marktteilnehmer den Rentenmarkt klar dominieren. In erster Linie werden Sondereffekte für kurzfristig höhere Inflationsraten verantwortlich gemacht. Die Marktteilnehmer zweifeln jedoch zunehmend daran, dass der Preisdruck nachlässt, wenn diese Sonderfaktoren wegfallen. Es besteht die Befürchtung, dass sich die Inflationsraten auf einem permanent höheren Niveau als in den letzten Jahren festsetzen könnten. Begründet werden die Inflationssorgen durch veränderte langfristige und damit strukturelle Trends. Die Preise könnten unter Anderem steigen, wenn die globale Demografie das Arbeitsangebot zunehmend verknappt und es zu einer De-Globalisierung und Re-Nationalisierung kommen sollte.

 

Die jüngsten Verluste der Bundesanleihen werden dadurch unterstützt, dass die Marktteilnehmer ihre Leitzinserwartungen revidiert haben. War es vergangenen Jahres noch wahrscheinlich, dass der Einlagesatz nochmals gesenkt wird, wird am Markt nun mit einer Anhebung um 10 Basispunkte in der zweiten Jahreshälfte 2023 gerechnet. Die aufkommenden Spekulationen über einen Kurswechsel der Geldpolitik, auch wenn sie erst das Jahr 2023 betreffen, halten wir jedoch für übertrieben - und bei einer zurückweichenden Leitzinserhöhungsangst dürften auch die zehnjährigen Bundrenditen wieder sinken.

 

Der intakte Aufwärtstrend bei den zehnjährigen Bundrenditen deutet darauf hin, dass kurzfristig noch Anstiegspotenzial besteht. Für uns ist der Ausverkauf, der Anfang des Jahres begonnen hat, jedoch bereits in eine Reifephase eingetreten. Es ist immer schwer, Wendepunkte am Kapitalmarkt zeitlich eng eingegrenzt zu prognostizieren. Nichtsdestotrotz: Wir gehen auf Sicht der kommenden Monate davon aus, dass der Renditeanstieg ausläuft. Die zehnjährigen Renditen sollten sich unseres Erachtens auf Sicht von drei Monaten stabilisieren. Bezogen auf einen Horizont von einem Jahr können wir uns jedoch sehr gut vorstellen, dass die Zehnjahresrendite die Null-Prozentmarke erreicht.

 

-- Birgit Henseler




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